Kein Tag ohne
eine Rezension von Piketty’s Buch zur sozialen Ungleichheit! Eine Auswahl der
letzten Tage ist hier,
hier,
hier, hier
und hier (die FAZ mit einer ausführlichen Übersicht hier, die Süddeutsche hier). Mit 80.000 Exemplaren
wird der Autor zum Superstar und personifiziert nun auch in der Wissenschaft die
paradoxe Feststellung „Der Kapitalismus funktioniert nicht“ (The
Guardian). Die Herausforderung lässt sich in wenigen Worten so beschreiben:
- warum hat die soziale Ungleichheit vorkapitalistische Ausmaße angenommen, wobei sich die Indizien mehren, dass dies das Wachstum unterminiert, und
- warum sind klassische Vorschläge und Rezepte, an denen die Wissenschaft seit Jahrzehnten arbeitet, politisch nicht umsetzbar. Dazu gehört auch die von Piketty vorschlagene globale Erschaftssteuer.
Nun hat der
Kapitalismus in den letzten 250 Jahren schon so manche Herausforderung
bewältigt. Bisher ist noch jede Alternative gescheitert oder als
produktiver Impuls integriert worden.
Wie ist die gegenwärtige
Situation zu verstehen? Wo steht der Kapitalismus? Bis bessere Argumente und
Daten vorhanden sind, versuchen wir das Modell von Carlota Perez über
Strukturanpassungen bei nichtlinearen gesellschaftlichen Prozessen zu nutzen:
Innovative Prozesse entstehen spontan und kommen mit der Zeit immer mehr in
Konflikt mit den bestehenden sozialen Normen und formellen institutionellen
Regelungen. Ist eine bestimmte kritische Masse erreicht, dann passen sich die
gesellschaftlichen Verhältnisse an und ermöglichen die vollständige
Realisierung des technologischen Potentials bis zu einer neuen Welle an
Innovationen.
Nehmen wir als Ausgangspunkt
die Kondrajewschen Wellen. Jede Welle beschreibt einen technologischen Zustand,
von Wellenberg zu Wellenberg steigt die Profitrate, innerhalb einer Welle sinkt
sie. Entsprechend dieser Logik befinden wir uns in einem Tal. Die seit
Jahrzehnten sinkenden Gewinn- und Zinsraten entsprechen diesem Bild. Sobald ein
technologischer Durchbruch erfolgt, wird Wachstum wieder anziehen, Arbeit knapp
werden, damit sich das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital verändern und die
soziale Ungleichheit wieder zurückgehen. Das politische Gebot wäre „Kein
Handlungsbedarf“. Und dies war auch die dominierende Interpretation vor
Piketty.
Das Problem ist,
dass – im Unterschied zu 1928 – selbst die globale Finanzkrisis 2008 das
Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital nicht verändert hat, dass sich die
Wellen nicht statistisch nachweisen lassen und es keine Einigkeit über ihre Abgrenzung gibt. Carlota Perez
analysiert wie Kondratjew fünf technisch-ökonomische
Paradigma von 1771 bis 1971.
Quelle
Die deutsche Bundesregierung vermarktet die Industrie 4.0. Brad de Long unterteilt 4 technische Revolutionen. Auch Anatole Kaletysky analysiert "Capitalism 4.0". Dan Breznitz und John Zysman schreiben von der dritten Globalisierung und Jeremy Rifkin von der dritten industriellen Revolution. Eric Brynjolfsson und Andrew McAfee sprechen vom zweiten Maschinenzeitalter. Robert J. Gordon beschreibt drei Industrielle Revolutionen und geht von einem 200-jährigen Zyklus aus, wobei ein Wachstumsmaximum in den USA schon überschritten wurde.
Quelle
Quelle
Die deutsche Bundesregierung vermarktet die Industrie 4.0. Brad de Long unterteilt 4 technische Revolutionen. Auch Anatole Kaletysky analysiert "Capitalism 4.0". Dan Breznitz und John Zysman schreiben von der dritten Globalisierung und Jeremy Rifkin von der dritten industriellen Revolution. Eric Brynjolfsson und Andrew McAfee sprechen vom zweiten Maschinenzeitalter. Robert J. Gordon beschreibt drei Industrielle Revolutionen und geht von einem 200-jährigen Zyklus aus, wobei ein Wachstumsmaximum in den USA schon überschritten wurde.
Quelle
Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass nach dem Übergang von der Agrargesellschaft zur
Industriegesellschaft die Transformation zur nachindustriellen Gesellschaft
aussteht. In den entwickelten Industriegesellschaften sind heute rund 1 % der
Beschäftigten in der Landwirtschaft beschäftigt und weniger als 20 % in der
Industrie, mit stark fallender Tendenz. Das Rationalisierungspotential ist
erheblich. Durch Robotisierung können 80%
der bestehenden Arbeitsplätze wegfallen. Eine ander Studie kommt zum Schluss, dass 47% aller Arbeitsplätze durch die fortschreitende Computerisierung bedroht sind. Beispielsweise steht das fahrerlose Auto auf der
Startrampe. Die möglichen Ersparnisse sind erheblich, 1300 Milliarden USD in den USA, 5600 USD weltweit.
Eine Studie zeigt, dass die Qualifikationsanforderungen bei denen Arbeitsplätzen seit der Jahrtausendwende in den USA sinken. Viele neue Arbeitsplätze entstehen im Servicesektor aufgrund des individuellen Bedarfs der Reichen und Superreichen. Mit dem Trend zur Plutokratie kommt eine Art Neo-Feudalismus.
Extrapoliert man die Trends, dann kann der bestehende Wohlstand mit 10 % aller heutigen Beschäftigten erzielt werden. Würde diese Situation über Nacht eintreten, so wäre der moderne Staat hoffnungslos überfordert und eine Wiederholung von Verteilungskonflikten des letzten Jahrhunderts nicht ausgeschlossen.
Nur ist die Situation historisch nicht prinzipiell neu. Ähnliches Trends gab es mehrfach. Ein Beispiel ist hier (Studie). Das Marxsches Gesetz der Verelendung hat keinerlei empirische Grundlage. Ist eine kritische Masse erreicht, so erfolgt ein Wendepunkt, von der ab Qualifikation neu bewertet wird. Offensichtlich müssen auch heute neue Modelle und Formen entdeckt werden, die die Leistungsfähigkeit und Kreativität von 90 % der Bevölkerung positiv evaluieren, Anreize vermitteln und begrenzte Ressourcen sinnvoll verteilen.
Die Diskussionen über das bedingungslose Bürgergeld in Deutschland oder die Überflussgesellschaft (Leisure society in der Financial Times) thematisieren diese neuen Fragestellungen. Noch zeigen sie keine befriedigende Antworten und werden nicht mit einem potentiell höheren Wohlstandsniveau - wie auch immer dieser verstanden wird - in Verbindung gebracht.
Eine Studie zeigt, dass die Qualifikationsanforderungen bei denen Arbeitsplätzen seit der Jahrtausendwende in den USA sinken. Viele neue Arbeitsplätze entstehen im Servicesektor aufgrund des individuellen Bedarfs der Reichen und Superreichen. Mit dem Trend zur Plutokratie kommt eine Art Neo-Feudalismus.
Extrapoliert man die Trends, dann kann der bestehende Wohlstand mit 10 % aller heutigen Beschäftigten erzielt werden. Würde diese Situation über Nacht eintreten, so wäre der moderne Staat hoffnungslos überfordert und eine Wiederholung von Verteilungskonflikten des letzten Jahrhunderts nicht ausgeschlossen.
Nur ist die Situation historisch nicht prinzipiell neu. Ähnliches Trends gab es mehrfach. Ein Beispiel ist hier (Studie). Das Marxsches Gesetz der Verelendung hat keinerlei empirische Grundlage. Ist eine kritische Masse erreicht, so erfolgt ein Wendepunkt, von der ab Qualifikation neu bewertet wird. Offensichtlich müssen auch heute neue Modelle und Formen entdeckt werden, die die Leistungsfähigkeit und Kreativität von 90 % der Bevölkerung positiv evaluieren, Anreize vermitteln und begrenzte Ressourcen sinnvoll verteilen.
Die Diskussionen über das bedingungslose Bürgergeld in Deutschland oder die Überflussgesellschaft (Leisure society in der Financial Times) thematisieren diese neuen Fragestellungen. Noch zeigen sie keine befriedigende Antworten und werden nicht mit einem potentiell höheren Wohlstandsniveau - wie auch immer dieser verstanden wird - in Verbindung gebracht.
Nicht minder
komplex ist die Frage nach dem politischen Kräfteverhältnis zwischen Kapital
und Arbeit und einem unausweichlichen Umkehrpunkt. Die Europäischen Bürgerkriege 1914 – 45 und der Kalte Krieg schufen
ein politisches Gleichgewicht, der von den globalen Eliten verinnerlicht wurde und mäßigend wirkte. In den USA war das Mondprogramm eine gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, wo heute ein aus europäischer Sicht eher bescheidene Obamacare umstritten ist. Die globale "Occupy" Bewegung verpuffte rückhaltelos. Eine konterkarierende politische Kraft zur gegenwärtigen Dominanz des Kapitals ist weder innenpolitisch
noch an der Peripherie der Weltwirtschaft, wie es Russland im letzten Jahrhundert war, in Sicht. Eine Korrektur und Entwertung bestehender Vermögen ist aber unabdingbarer Bestandteil institutioneller Pfadänderungen und den Eintritt in einen neuen Wachstumszyklus.
Technisch ist eine Neuverteilung von Vermögen relativ einfach. Reichtum ist zunehmend virtuell, geschützt durch das Gewaltmonopol des Staates, so beim intellektuellen Eigentum. Wie Fiatgeld ist es der Anspruch auf zukünftige Cash Flow und Ressourcen, die wiederum auf das Vertrauen in die Stabilität und Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Institutionen beruhen. Schwächt, beispielsweise, der Staat den Schutz des geistigen Eigentums, dann können sich First-Mover nicht mehr den überwiegenden Teil der Wertschöpfung in neuen Märkten aneignen. Bisher überließ man die Spielregeln und Anforderungen im „Neuland“ (Angela Merkel) dem Selbstlauf. Diese Möglichkeiten der Ignoranz nähern sich dem Ende. Über das Wie haben die Diskussionen begonnen, noch sind aber eindeutige Trends nicht zu erkennen.
Mit anderen Worten, sowohl langjährige technologische Entwicklungen wie historische Trends bei den sozialen Unterschieden weisen auf Ungleichgewichte hin, mit denen die heutigen Gesellschaften seit Jahrzehnten nicht konfrontiert waren. Zugleich ist für die kommenden drei bis fünf Jahre oder so noch keine kritische Masse für eine Trendumkehr und einen neuen Entwicklungspfad erkennbar.
Wo steht der Kapitalismus
heute? Eine hektische Ruhepause vor dem perfekten Sturm!