Der Ausgangspunkt
Nehmen wir zwei
Länder, A und B, die jeweils Hämmer und Getreide produzieren. Was immer die konkreten
Aufwendungen sind, sie werden sich relativ und absolut unterscheiden. Das Gesetz
der komparativen Arbeitsteilung sagt, dass Handel den Wohlstand steigert, so
zum Beispiel wenn sich Land A auf die Produktion von Hämmern und Land B auf die
Produktion von Getreide spezialisiert.
Nehmen wir an,
dass zufällig bei der Herstellung von Hämmern Produktivitätsgewinne möglich
sind. Dies kann das Resultat sein von einer Erfindung oder höherer
Investitionssicherheit oder einer Bildungsreform oder ergiebigeren
Eisenerzlagerstätten. Bei sonst gleichen Bedingungen verwendet das Land A nur noch
ein Bruchteil seiner Ressourcen für die Produktion vom Hämmern. Es hat freie Ressourcen zur Verfügung und kann in weitere Innovationen investieren.
Diese Möglichkeit hat das Land B nicht, aber es bestehen auch keine
unmittelbaren Auswirkungen auf sein Wohlstandsniveau.
Nach vielen
vergeblichen Versuchen und hohen Anfangsverlusten gelingt wieder ein Durchbruch
im Land A. Es stellt nun Mobiltelefone her. Für sie besteht auch im Land B ein
Bedarf. Es kann sie importieren, wenn es mehr Getreide exportiert. Da keine anderen
Möglichkeiten bestehen, muss es den Inlandskonsum zu verringern, um an
zivilisatorischen Errungenschaften teilzuhaben. Es entsteht die paradoxe
Situation, dass Fortschritt mit Minderkonsum einhergeht.
Zwischen beiden
Ländern hat sich ein asymmetrisches Gleichgewicht herausgebildet. Sie bilden ein Ganzes, zugleich können Chancen
und Risiken, Innovationsorientierung und Strukturen nicht unterschiedlicher
sein. Trotz des Handels zum gegenseitigen Vorteil bestehen Interessengegensätze: Land A sieht sich auf einem innovativen Wachstumspfad, zu dessen
Fortsetzung es auf die stabile Versorgung mit billigem Getreide angewiesen ist. Es ist an offenen Märkten für seine innovativen Produkte interessiert, um
die hohen Kosten für riskante Innovationen zu erwirtschaften. Land B leistet
einen Beitrag zum gemeinsamen Wohlstand und sieht sich schuldlos an die wirtschaftliche
Peripherie gedrängt. Beispielsweise hat die Elektrizitätsversorgung eines
Landes nur geringen Anteil an seiner Wertschöpfung, trotzdem ist sie essentiell
für das Funktionieren der Gesellschaft. Land B wird angesichts sinkenden
Konsums weniger laissez-fair als Fragen der Gerechtigkeit und des Ausgleiches thematisieren.
Letztlich profitieren beide Länder von den ungleichen Verhältnissen. Dies gilt besonders dann, wenn bestimmte technologische oder institutionelle Schwellen mit hohen Risiko- und Ressourcenbedarf überschritten werden müssen. Besonders prägnant ist dies bei "Der-Gewinner-nimmt-alles-Märkten." Eine bekannte Schwelle ist der Übergang zur Marktwirtschaft, erst in einem Land mit der industriellen Revolution und 1991 als globale Norm. Kopieren erfordert ungleich weniger Ressourcen, egal ob es sich um eine erfolgreiche Arbeitsmarktreform oder ein Autodesign handelt.
Zugleich besteht ein Dilemma: Eine Umverteilung von Ressourcen aus dem Land A nach Land B erhöht zwar den
Lebensstandard im Land B, verringert aber die Ressourcen für Innovationen, von
denen auch Land B profitiert, da es nicht die hohen Anlaufkosten und Risiken eines offenen Such- und Findungsprozesses trägt. Findet keine Umverteilung statt, dann wird die Frage immer lauter werden, was Innovationen nützen, wenn Wohlstand im Land B sinkt, der Ressourcenbedarf und das Risiko von Innovationen aber weiter exponentiell ansteigen.
Die konkrete Verteilung von
Wohlstand und Wachstumsoptionen entscheidet sich letztlich im politischen
Gleichgewicht zwischen Land A und Land B.
Formen des asymmetrischen Gleichgewichts
Die Weltwirtschaft betrachten wir als ein asymmetrisches
Gleichgewicht. Seit den großen geographischen Entdeckungen besteht ein globaler
Zusammenhang, bei der jede wirtschaftliche Aktivität jede andere beeinflusst.
Heute bestehen Arbeitsplätze mit Wertschöpfungen in hoher Millionenhöhe und
Arbeitsplätze in der Subsistenzwirtschaft für etwa 1 Milliarde Menschen mit
wenig Veränderungen in den letzten Jahrhunderten. Die Anzahl der Mobiltelefone
übersteigt 7 Milliarden und es werden doppelt soviel Lebensmittel produziert
als benötigt werden, aber 800 Millionen Menschen sind unter- und fehlernährt. Die
wirtschaftliche Entwicklung umfasst Zeitabschnitte, in den Wachstum sehr
einseitig verläuft und Zeitabschnitte, bei denen die wirtschaftliche
Entwicklung ausgeglichener ist. Einflussfaktoren sind technische Entwicklungen genauso wie sich verändernd Wertevorstellungen.
Neben der
globalen bestehen weitere Dimensionen. Die Europäische
Union ist eine innovative und komplexe überstaatliche Einheit, die Länder
mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungskraft vereint. Die Ursachen der
gegenwärtigen Krisis liegen in unzureichenden institutionellen Anreiz- und
Ausgleichsmechanismen. Die Einführung des Euros lenkte Kapitalströme aus den Kerngebieten
in die Peripherie. Sie stimulierten dort Wachstum, wenn auch teilweise auf
Kosten der Wettbewerbsfähigkeit und der Verschleppung von Strukturreformen.
Deutschland als größtes europäisches Land hatte eines der geringsten
Wachstumsraten, konnte aber seine Agenda 2010 unter günstigen
makroökonomischen Bedingungen umsetzen. Mit dem Ausbruch der Krise kehrten sich
die Kapitalströme um. Austerität in der Peripherie initiiert bis an die Grenzen
politischer Belastbarkeit schmerzhafte Strukturreformen. Die wirtschaftlichen
Unterschiede nehmen wieder zu. Ein neues stabiles Gleichgewicht hat sich noch
nicht herausgebildet, wenn auch erste Konturen sichtbar werden.
Nicht zuletzt lässt
sich die deutsche Wiedervereinigung als
ein asymmetrisches Gleichgewicht beschreiben: Auch 22 Jahre nach dem Beitritt sind
die neuen Bundesländer von Subventionen abhängig und Unterschiede in der Leistungskraft bestehen unvermindert
fort. Jedoch haben sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen verändert.
Blühende Landschaften sind kein Selbstziel und auch einzelne Regionen in den
alten Bundesländern sind vom Strukturwandel herausgefordert. Deutschland ist
insgesamt viel leistungsfähiger geworden. Er ist ein Staat, dessen Regionen ein
deutliches Gefälle aufweisen und nicht ein Staat, dessen Regionen die gleiche
wirtschaftlicher Leistungskraft haben. Die Wiedervereinigung hat zwar keinen
wirtschaftlichen Ausgleich gebracht, war aber nicht unerfolgreich.
^scheiße
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