John Maynard Keynes

The analysis was in terms of a single national economy. What is desperately needed now is a rewrite in terms of the world economy." (John Maynard Keynes's General Theory of Employment, Interest and Money, 1936)

Donnerstag, 6. November 2014

Wieviel wiegt ein Kilogramm oder war die DDR ein Unrechtsstaat: je/nein/jein?


Die Diskussion um die Linken-Regierung in Thüringen hat einen interessantenVerlauf. Es geht darum, ob die DDR ein Unrechtsstaat war.

Die Ansichten können nicht unterschiedlicher sein.

Ja. Es bestand eine selbst propagierte Diktatur des Proletariats. Staat und Partei waren übermächtig und agierten außerhalb von Recht und Gesetz. Staatliche Willkür war an der Tagesordnung. An der Grenze wurde geschossen. Stimmt.

Nein. Bis zuletzt hielt ein breiter politischer Konsens. 90 % der Bevölkerung lebten ein Leben, ohne in Kontakt mit Staatssicherheit und direkten staatlichen Repressalien zu kommen. Die DDR war das Produkt eines verlorenen Krieges, verfügt nur über eingeschränkter Souveränität. Verhinderung von Krieg hat eine höhere Bedeutung als die Einschränkung von Bürgerrechten. Die DDR war ein Stützpfeiler der (friedlichen) Nachkriegsordnung, die international von allen Seiten (Helsinki - Akte) auch juristisch anerkannt war. Stimmt.

Kern der Diskussion ist nicht der Gegenstand selbst, sondern ein gesellschaftlichen Konsens über heutiges Tun und Lassen.

Es ist wie mit dem Gewicht von einem Kilogramm: Ein Kilogramm ist, was ich als ein Kilogramm bezeichne. Und da das Gewicht die wohl einzig verbleibende physikalische Größe, bei der es die größten Schwierigkeiten gibt, sie durch andere Naturgrößen zu definieren, wird sie weitestgehend aus sich selbst heraus bestimmt. Das Urkilo s

In der Politik setzt sich die Auffassung durch,  dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Von der Linke, nicht unähnlich dem Ablasshandel des Mittelalters (soviel verändert sich im Lauf der Zeit dann doch nicht), wird als Preis für die Macht Abbitte gefordert. Sie muss ein Stück ihrer Identität aufgeben, sich von der SED eindeutig distanzieren und die Vergangenheit in einem anderen Koordinatensystem betrachten. Ihre Möglichkeiten einer Deutungshoheit werden eingeschränkt. Sie wird, sozusagen, sozialisiert. In der Tat, man kann erwarten, dass die zukünftige Regierung pragmatisch sein wird und alles unternimmt, ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen.

Dies wäre ein weiterer Schritt in der Entwicklung eines gesamtdeutschen Konsens und eine weitere Integration der Linken in die bundesdeutsche Politiklandschaft.

Die Diskussion wird schnell vergessen sein. Der Mohr hat seine Arbeit getan, er kann gehen.

Andere Fragen, wie der heutige Umgang mit offensichtlichen Unrechtsstaaten, bleiben natürlicherweise außen vor. Interessant wäre zum Beispiel die Rolle Saudi Arabiens im arabischen Raum. Er ist strategischer Partner des Westens, der für die globale Energieversorgung Verantwortung übernimmt. Dass verleiht seiner mittelalterlichen, theokratischen Regierungsform außerordentliche Legitimität und ist letztlich eine der Ursachen für das Zurückbleiben des arabischen gesamten Raums und damit des gegenwärtigen Chaoos. Kann jedem eine realistische Alternative zu dieser Art von Pragmatismus in der Stützung und Zusammenarbeit mit einem Unrechtsstaat aufzeigen?

In der Politik ist ein Kilogram mehr noch als in der Physik ein variable Größe.

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